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Überstellung einer Asylwerberin mit Kindern nach Ungarn muss erneut überprüft werden

Freitag, 30.10.2015

Die gesetzliche Vermutung, dass Ungarn für AsylwerberInnen pauschal als sicher anzusehen ist, besteht auf Grund der derzeitigen Aufnahmebedingungen für AsylwerberInnen nicht mehr - Verwaltungsgerichtshof, Ra 2015/18/0113 bis 0120, 8. September 2015.

 

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpfte eine alleinstehende afghanische Asylwerberin mit mehreren minderjährigen Kindern ihre Rücküberstellung nach Ungarn. Sie hatte in Ungarn Asyl beantragt, war aber danach im Oktober 2014 nach Österreich weitergereist. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ordnete die Überstellung an, weil Ungarn nach der Dublin III-Verordnung für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei, nachdem der Asylantrag bereits in Ungarn gestellt worden war. Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) bestätigte diese Entscheidung im Mai dieses Jahres und stützte sich dabei im Wesentlichen auf Lageberichte aus dem Sommer 2014.

 

Der Verwaltungsgerichtshof kam zu dem Ergebnis, dass bei drohender Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention oder der Grundrechtecharta der Europäischen Union, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung verbieten, keine Überstellung von AsylwerberInnen in den nach den Dublin-Regeln zuständigen Staat erfolgen darf. Die Zuständigkeit Ungarns nach der Dublin III-Verordnung als sicherer Staat für AsylwerberInnen ist bloß eine widerlegbare Vermutung. Die Lage in Ungarn hat sich zumindest seit Oktober 2014 deutlich verändert, weil ein großer Zustrom von asylsuchenden Personen stattgefunden hat. Dieser Umstand in Verbindung mit der konkreten Kritik an den Aufnahmebedingungen für AsylwerberInnen in Ungarn führt dazu, dass die gesetzliche Vermutung, Ungarn sei für AsylwerberInnen sicher, derzeit nicht mehr besteht. Das BFA und das BVwG müssen sich daher in Zukunft genauer als bisher mit der aktuellen Lage in Ungarn auseinandersetzen und prüfen, ob Österreich asylsuchende Personen im Dublin-System nach Ungarn zurücküberstellen dürfe. Eine endgültige Klärung dieser Frage ist erst nach Vorliegen derartiger Ermittlungsergebnisse möglich.

 

Im vorliegenden Fall hätte sich das BVwG auf der Grundlage zeitnaher, die aktuellen Entwicklungen berücksichtigenden Berichte mit der aktuellen Lage in Ungarn auseinandersetzen und ausgehend davon die Frage klären müssen, ob der Selbsteintritt Österreichs in das Asylverfahren zur Vermeidung einer Grundrechtsverletzung nach Art. 3 EMRK (bzw. Art. 4 GRC) geboten ist. Dazu bedarf es einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob sich die Lage für sogenannte "Dublin-Rückkehrer" in Ungarn seit Juli 2014 so verschlechtert hat, dass asylwerbende Parteien bei einer Überstellung nach Ungarn Gefahr laufen, entgegen des Verbots der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung in ihren Grundrechten verletzt zu werden. Dabei war im vorliegenden Fall auch auf die besondere Situation einer Familie mit mehreren minderjährigen Kindern Bedacht zu nehmen. Diesem Umstand kommt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wegen der besonderen Bedürfnisse und der extremen Vulnerabilität von Kindern hohe Bedeutung zu.

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