Ende dieses Seitenbereichs.

Beginn des Seitenbereichs: Inhalt:

Die Problematik des Rechtsschutzes bei Altersfeststellungen im österreichischen Asylverfahren

Montag, 03.10.2016

Die Altersfeststellung im Asylverfahren bei jungen Flüchtlingen wird oft von Medien, Experten aber auch internationalen Organisationen kritisiert. Insbesondere ist der fehlende Rechtsschutz gegen ein solches Gutachten im österreichischen Asylverfahren ein Dorn im Auge. Ein Asylwerber kann somit das festgestellte Alter nicht wiederlegen, wenn er keine Dokumente bei sich hat. Eine solche Feststellung des Alters stellt somit einen Eingriff in die Identität eines jeden Menschen dar.

Neben der allgemeinen Erklärung und Relevanz der Altersdiagnostik für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, wird das Hauptaugenmerk dieses Beitrags auf den Rechtsschutz und eine rezente Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes gelegt werden.

Die multifaktorielle Untersuchungsmethodik zur Altersdiagnose

Die Rechtsgrundlage für die Altersfeststellung findet sich nun im § 13 (3) BFA- VG. Oftmals kommen Flüchtlinge ohne jegliche Dokumente ins Land und können deswegen ihr Alter nicht nachweisen. Viele von ihnen wissen, dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge einige besondere Rechte im Asylverfahren genießen und deswegen wird oft ein falsches Alter von den Flüchtlingen angegeben um in den Genuss jener Rechte zu kommen. Offizielle Statistiken zeigen, dass 2015 sogar 8277 unbegleitete minderjährige Personen einen Asylantrag in Österreich gestellt haben. Leider gibt es keine aktuellen Zahlen, in wie vielen Fällen eine Altersdiagnose durchgeführt wurde. Die Aufgabe des Referenten im Ermittlungsverfahren ist es auch das Alter des Flüchtlings festzustellen. Bestehen nun Zweifel an der behaupteten Minderjährigkeit eines Flüchtlings kann der jeweilige Referent bzw. Richter vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Gutachten zur Altersdiagnostik in Auftrag geben. Die Methoden, die bei einer multifaktoriellen Untersuchungsmethodik zur Anwendung kommen sind in § 2 Z 25 AsylG aufgezählt. Insbesondere wird die Methode der Röntgenuntersuchungen, seit deren Einführung heftig kritisiert. Weitere Kritikpunkte sind, dass die Altersdiagnose zu keinen exakten Altersfeststellungen führt und eine Schwankungsbreite von 2 Jahren aufweist.

Erstaunlicherweise finden sich auch unterschiedliche Ergebnisse, je nachdem in welchem Bundesland das Gutachten in Auftrag gegeben worden ist. Hinzu kommt noch, dass ein umfassendes Gutachten beträchtliche Kosten für den Staat aufweist, da dieses bis zu 1000 Euro kostet. Auch UNHCR hat Richtlinien zur Altersfeststellung herausgegeben. Insbesondere fordert UNHCR darin, dass bei der Ermittlung sowohl physische als auch psychische und kulturelle Faktoren berücksichtigt werden müssen. In Österreich wird jedoch bei der Altersdiagnose ausschließlich auf körperliche Merkmale Rücksicht genommen. Weiters gibt auch der europäische Gesetzgeber Vorgaben für die Altersfeststellung. In Artikel 25 (5) Verfahrens- RL werden bei Zweifel bezüglich der Minderjährigkeit eines Asylwerbers ärztliche Untersuchungen zugelassen. Die Altersdiagnose hat mit dem geringsten Eingriff zu erfolgen und es ist auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu berücksichtigen. Der Grundsatz ,,in dubio pro reo‘‘ ist auch im österreichischen Gesetz festgeschrieben. Gibt es nach der erfolgten Altersfeststellung weiterhin Zweifel, so ist zu Gunsten des Flüchtlings von seiner Minderjährigkeit auszugehen. Nachdem nun das Verfahren zur Feststellung des Alters kurz erläutert wurde, stellt sich weiterhin die Frage, warum dies durchgeführt wird bzw. welche Auswirkungen hat es wenn ein Flüchtling als volljährig erklärt wird? Die Relevanz einer Altersdiagnose soll nun im nächsten Absatz kurz unter die Lupe genommen werden. 

 

Die Relevanz der Altersfeststellung

Wie bereits gesagt, ermöglicht der Gesetzgeber besondere Vorteile für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Insbesondere wird ihnen ein Rechtsberater zur Vertretung im Asylverfahren beigegeben, es gibt Sonderbestimmungen bezüglich der Grundversorgung und auch in der Dublin- Verordnung. Gemäß § 10 BFA- VG ist der gesetzliche Vertreter eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings der Rechtsberater. Somit wird der Asylwerber vor den Behörden vom Rechtsberater bzw. ab Zuweisung in eine Betreuungsstelle vom zuständigen Jungendwohlfahrtsträger vertreten. Nach Artikel 7 Grundversorgungsvereinbarung bedürfen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge einer über der herkömmlichen Grundversorgung hinausgehenden Betreuung. Diese sind in spezielle Unterkünfte unterzubringen, wie beispielsweise in Wohnheimen und im Bedarfsfall ist ihnen auch psychologische Unterstützung zu gewähren. Weiters gebührt ihnen ein monatliches Taschengeld. Zuletzt gibt es auch Sonderbestimmungen bei der Zuständigkeit für die Durchführung eines Asylverfahrens. Für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge finden sich in Artikel 7 Dublin- III VO Sonderbestimmungen. Im Vordergrund steht das Wohl des Kindes.

Das Asylverfahren ist in dem Land durchzuführen, in welchem sich Familienangehörige des Asylwerbers befinden bzw. im Land, wo der Asylwerber zuerst seinen Asylantrag stellt. Wie man sieht nimmt der Gesetzgeber besonders Rücksicht auf diese Gruppe und schafft ihnen besondere Rechte und Vorteile im Asylverfahren. Somit ist es auch für die Flüchtlinge vorteilhafter, sich vor der Behörde als minderjährig auszuweisen. Um Klarheit und Rechtssicherheit zu schaffen, hat sich der Gesetzgeber in Zweifelsfällen für die Durchführung der Altersdiagnose entschieden. Doch die wichtigste Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt ist, was passiert, wenn ein scheinbar minderjähriger unbegleiteter Flüchtling zunächst in den Genuss dieser Rechte kommt, jedoch im Zuge des Verfahrens als volljährig erklärt wird? In diesem Fall würde er beispielsweise automatisch seinen gesetzlichen Vertreter verlieren und müsste weitere rechtliche Schritte ohne jegliche Unterstützung setzen. Kann der Flüchtling gegen die Altersdiagnose etwas unternehmen?

Kann er beispielsweise eine Beschwerde vor der nächsten Instanz gegen die Feststellung des Alters erheben? Hierbei stellen sich die Fragen des Rechtschutzes und der Rechtsqualität der Altersfeststellung. Wie sich im folgenden Absatz zeigen wird, gibt es bei diesen Fragen eine Diskrepanz zwischen Judikatur und Lehre. 

 

Der Rechtsschutz

Bereits der UNHCR statuiert in seinen Richtlinien zur Altersfeststellung, dass es Möglichkeiten für den Asylwerber geben muss, eine Beschwerde gegen die Altersfeststellung zu erheben. Auch die europäische Kommission sieht es kritisch, dass es nicht überall in der EU die Möglichkeit gibt gegen eine Altersfeststellung vorzugehen. In Österreich ist es gängige Praxis der Behörde und durch einen Erlass des zuständigen Bundesministeriums festgesetzt, dass die Volljährigkeitserklärung in Form einer Verfahrensanordnung ergeht. Die Problematik, die sich aus der Qualifikation als Verfahrensanordnung ergibt ist, dass diese gemäß § 63 (2) AVG nicht gesondert anfechtbar sind. Somit kann der Asylwerber bzw. sein gesetzlicher Vertreter nichts gegen eine Volljährigkeitserklärung während des Verfahrens unternehmen. Er kann nur gegen den Asylbescheid, welcher am Ende des Ermittlungsverfahrens ergeht, vor dem Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erheben.

Im Gegensatz zu dieser gängigen Praxis der Behörden gibt es Stimmen in der Lehre , die diese Vorgehensweise kritisieren und die Volljährigkeitserklärung als verfahrensrechtlichen Bescheid qualifizieren, der gesondert anfechtbar ist. Insbesondere argumentieren Lukits, dass bei einer Volljährigkeitserklärung der gesetzliche Vertreter sofort entlassen wird und daher diese über ein Rechtsverhältnis rechtsgestaltend bzw. feststellend abspricht. Es bestimmt über die verfahrensrechtliche Rechtsstellung des Asylwerbers. Es handelt sich hierbei um hoheitliche, einseitige, individuelle und normative Verwaltungsakte mit Außenwirkung. Weiters führt Lukits ins Treffen, dass bei einer Volljährigkeitserklärung des Asylwerbers ein Rechtsschutzbedürfnis nach sofortiger Anfechtbarkeit der Erledigung besteht. Mit der Qualifizierung der Volljährigkeitserklärung als Bescheid, könnte dieser vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß Artikel 130 B-VG gesondert bekämpft werden. Diesem würde auch aufschiebende Wirkung zukommen, was bedeuten würde dass der Flüchtling nicht sofort seine besonderen Rechte verlieren würde, wie beispielsweise seinen gesetzlichen Vertreter. Bislang haben die Höchstgerichte über die Qualifizierung der Volljährigkeitserklärung als Bescheid oder Verfahrensanordnung geschwiegen. Nun gibt es jedoch eine rezente Entscheidung des VwGH, die Klarheit schaffen soll.

 

Aktuelle Entwicklungen

Der VwGH musste sich mit einem Schriftstück befassen, welches einem Asylwerber zugegangen ist und mit ,,Verfahrensanordnung‘‘ betitelt war. Der Revisionswerber argumentierte, wie schon Lukits in seinem wissenschaftlichen Text, dass es sich hierbei um einen bekämpfbaren verfahrensrechtlichen Bescheid handeln würde. Somit beantwortete der VwGH in seiner Entscheidung, ob ein Schriftstück, mit dem einem Asylwerber bekannt gegeben wird, dass die Behörde von einem festgestellten Geburtsdatum ausgehe, als bekämpfbarer Bescheid zu qualifizieren ist. Der VwGH verneinte dies. Es handle sich hierbei um eine Verfahrensordnung, durch welche der Asylwerber aufgefordert wurde, eine Stellungnahme zum Gutachten abzugeben. Das Höchstgericht argumentierte, dass dadurch noch keine rechtsverbindliche Feststellung des Geburtsdatums erfolgt ist.

Vielmehr sind diese Schritte, welche zur Ermittlung der Volljährigkeit gesetzt werden, Teile des Ermittlungsverfahrens und diese müssen als Feststellungen in die abschließende Entscheidung aufgenommen werden. Es steht den Betroffen dann frei diesen verfahrensabschließenden Bescheid zu bekämpfen und darin die gesetzeswidrige Altersfeststellung zu rügen. Die wichtigste Erkenntnis, die aus der Entscheidung hervorgeht ist, dass die scheinbar minderjährigen Flüchtlinge keine Rechte im Verfahren verlieren, falls im Zuge des noch nicht abgeschlossenen Asylverfahrens, die Volljährigkeit durch ein Gutachten angenommen wird. Da diese vorerst in Form einer Verfahrensanordnung erfolgt und nicht in einer Rechtskraft fähigen Form abgesprochen wird, bleiben auch die Rechte, wie zum Beispiel der gesetzliche Vertreter bis zum Abschluss des Verfahrens bestehen.

 

Fazit

Wie aus diesem kurzen Beitrag hervorgeht, gibt es einige Kritikpunkte in Zusammenhang mit Altersfeststellungen im österreichischen Asylverfahren. Einerseits muss beachtet werden, dass diese nur als ultima ratio durchzuführen sind und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz muss beachtet sein, andererseits sind diese Untersuchungen nicht wissenschaftlich exakt. Weiters wird in Österreich bei der Altersdiagnose nur auf physische Merkmale abgestellt. Das weitaus größere Problem ist der Rechtsschutz gegen eine Altersfeststellung. Die Meinungen in der Lehre, dass die Feststellung der Volljährigkeit als bekämpfbarer Bescheid qualifiziert werden soll, werden in der Praxis, und nunmehr auch vom VwGH bestätigt, nicht vertreten. Vielmehr ist die Altersdiagnose als Teil des Ermittlungsverfahrens zu sehen und in die verfahrensabschließende Entscheidung aufzunehmen. Dieser verfahrensabschließende Bescheid kann dann vor der nächsten Instanz bekämpft werden. Da es sich im Verfahren um eine bloße Verfahrensanordnung handelt, stellt der VwGH klar, dass der Asylwerber keine Rechte im Verfahren verliert, die er als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling genießen würde. Diese Entscheidung stellt die Rechtslage klar und schafft Rechtssicherheit. Würde die Volljährigkeitserklärung im Zuge des Verfahrens als Bescheid ergehen und würde man diesen Bescheid im Rechtsweg bekämpfen, käme es zur unnötigen Verzögerung des gesamten Asylverfahrens, welches ohnehin in Österreich lange dauert. Dies würde zum Nachteil des Asylwerbers sein, der schnellstmöglich eine Entscheidung über seinen Asylstatus bekommen möchte.

Ende dieses Seitenbereichs.

Beginn des Seitenbereichs: Zusatzinformationen:

Ende dieses Seitenbereichs.